Ways of Seeing Abstraction:
Lada Nakonechna, Merge Visible. Composition No. 45, 2016

Abstraktion, darunter verstehen die meisten Menschen noch immer eine Konzentration auf die Form. Eine Kunststr�mung, mit der �sthetische Ideen, Ordnungen, philosophische Ideen oder innere Gef�hle zum Ausdruck gebracht werden k�nnen – die aber mit der allt�glichen Lebenswirklichkeit nicht viel zu tun hat. Doch gerade in von Krisen gekennzeichneten Zeiten werden auch von der Kunst Relevanz und Dringlichkeit erwartet, eine Aussage zu aktuellen gesellschaftlichen Themen. K�nstlerisches Engagement vermittelt sich dabei heute nicht ausschlie�lich durch klare visuelle Botschaften und Inhalte – sondern immer mehr auch durch die Abstraktion. Gerade f�r j�ngere Generationen ist die gegenstandslose Kunst das Mittel der Wahl, um Politik, Religion oder soziale Fragen zu thematisieren. Mit Werken aus der Sammlung Deutsche Bank unternimmt die Ausstellung „Ways of Seeing Abstraction“ im PalaisPopulaire eine durchaus subjektive Bestandsaufnahme der internationalen Abstraktion von der Nachkriegsmoderne bis in die j�ngste Gegenwart – und dokumentiert die Vielfalt und Diskursivit�t, die sich hinter der Idee der gegenstandslosen, „reinen“ Form verbirgt. Anl�sslich der Schau zeigen wir Ihnen in unserer Serie Arbeiten von K�nstler*innen, die Abstraktion eigenwillig nutzen und auf neue Weise definieren.


Lada Nakonechna, Merge Visible. Composition No. 45, 2016
� the artist and Galerie Eigen + Art, Leipzig/ Berlin


Lada Nakonechna lebt in Kiew, der Hauptstadt eines Landes, das sich seit Jahren im Ausnahmezustand befindet: Streiks, Proteste und nicht zuletzt der bewaffnete Konflikt mit Russland haben die Ukraine schwer ersch�ttert. Auf dieses permanente Gef�hl der Unsicherheit reagiert die K�nstlerin mit Arbeiten, die den Wahrheitsgehalt von Bildern hinterfragen. Sie m�chte die Betrachterinnen und Betrachter aktivieren und, wie sie es formuliert, ihre „konzeptuellen Apparate“ f�r jene versteckten Botschaften und Ideologien sensibilisieren, die Bilder transportieren.

Wie viele ihrer Arbeiten basiert die Serie Merge Visible auf Material aus dem Internet, in diesem Fall Fotos der Zerst�rungen in der ostukrainischen Donbass-Region. Ihren Titel verdankt sie einer Funktion des Bildbearbeitungsprogramms Photoshop, mit der die K�nstlerin Kriegsspuren wegretuschierte. Die Fragmente der Bilder collagierte sie zu dynamischen abstrakten Kompositionen. Sie erinnern an Entw�rfe von El Lissitzky und Kasimir Malewitsch, die als Protagonisten des Konstruktivismus den Aufbruchsgeist der Russischen Avantgarde verk�rperten. Als Nakonechna angesichts des Krieges „ein Gef�hl absoluter Machtlosigkeit“ �berkam, erinnerte sie mit ihrer Serie an „eine Zeit in der Vergangenheit, in der K�nstler noch absolut zuversichtlich waren“. Doch der Optimismus der Avantgarde zerbrach schon an den politischen Entwicklungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts.