Ways of Seeing Abstraction:
Beat Zoderer, Polygon I-VI, 2019

Abstraktion, darunter verstehen die meisten Menschen noch immer eine Konzentration auf die Form. Eine Kunststr�mung, mit der �sthetische Ideen, Ordnungen, philosophische Ideen oder innere Gef�hle zum Ausdruck gebracht werden k�nnen – die aber mit der allt�glichen Lebenswirklichkeit nicht viel zu tun hat. Doch gerade in von Krisen gekennzeichneten Zeiten werden auch von der Kunst Relevanz und Dringlichkeit erwartet, eine Aussage zu aktuellen gesellschaftlichen Themen. K�nstlerisches Engagement vermittelt sich dabei heute nicht ausschlie�lich durch klare visuelle Botschaften und Inhalte – sondern immer mehr auch durch die Abstraktion. Gerade f�r j�ngere Generationen ist die gegenstandslose Kunst das Mittel der Wahl, um Politik, Religion oder soziale Fragen zu thematisieren. Mit Werken aus der Sammlung Deutsche Bank unternimmt die Ausstellung „Ways of Seeing Abstraction“ im PalaisPopulaire eine durchaus subjektive Bestandsaufnahme der internationalen Abstraktion von der Nachkriegsmoderne bis in die j�ngste Gegenwart – und dokumentiert die Vielfalt und Diskursivit�t, die sich hinter der Idee der gegenstandslosen, „reinen“ Form verbirgt. Anl�sslich der Schau zeigen wir Ihnen in unserer Serie Arbeiten von K�nstler*innen, die Abstraktion eigenwillig nutzen und auf neue Weise definieren.


Beat Zoderer, Polygon I-VI, 2019
� VG Bild-Kunst, Bonn 2021


„Reiner Ausdruck von harmonischem Ma� und Gesetz" – so charakterisierte Max Bill 1947 die Konkrete Kunst. Bill war einer der bedeutendsten Protagonisten dieser Str�mung, bei der es nicht um Inhalte oder Bedeutung geht, sondern um die Erforschung des Zusammenspiels von Farbe und mathematisch-geometrischen Formen. Beat Zoderer kn�pft an diese Tradition an, doch bricht er dabei ganz bewusst mit ihrer extremen Rationalit�t und Strenge. Stattdessen verleiht er ihr eine sinnliche, spielerische Dimension. Das wird besonders bei seinen Skulpturen deutlich, f�r die er bevorzugt profane Materialien aus Baum�rkten und Schreibwarenl�den verwendet. Ihre �bereinandergeschichteten, leuchtend bunt bemalten Bestandteile konterkarieren jeden Eindruck rigider Perfektion.

Diese Strategie zeigt sich auch in Zoderers Polygon-Serie. Hier finden sich Fl�chen und Farben zu dreidimensional erscheinenden Konstruktionen zusammen, die auf einem nicht zu entschl�sselnden Bauplan basieren. Es sind visuelle R�tsel, die sich nicht l�sen lassen. Konsequenterweise hat Zoderer solche Vielecke dann auch als Skulpturen ausgef�hrt. Diese Wandobjekte und Faltungen f�hren seine gezeichneten Polygone wahrhaftig in die dritte Dimension.